Ob`s mit Pferden oder Eseln geht – fahr ich Knüppel oder Eure Majestät
Eine leere, vierspännige Kalesche donnert förmlich das Dach des Kutschstalls hinunter. Die Pferde, so scheint es, setzen soeben zum Sprung an. Gelenkt wird das wilde Gefährt von einem stoischen Kutscher, die Zügel fest in der Hand, die Peitsche schwingend.
Im Jahre 1790 schufen die Gebrüder Johann Christoph Wohler (1748 – 1799) und Michael Christoph Wohler (1754 – 1802) den Figurenschmuck für den Kutschpferdestall am Neuen Markt, den der Hofbaumeister Andreas Ludwig Krüger (1743–1822) zuvor entworfen hatte. Neben der Quadriga zeigt die Attika weitere Figurengruppen. So sind etwa links und rechts der Pferde Stallburschen zu beobachten, die mit ihren Arbeiten beschäftigt sind. Vom Markt aus gesehen rechts außen am Gebäude sind Kinder mit der Reinigung von Uniformen befasst.
Bereits diese Darstellung des „einfachen Volkes“ ist eine Besonderheit, zeigen sich doch sonst auf Potsdams Dächern nur antike Götter oder Majestäten. Ganz anders auf dem Kutschstall: Stallburschen, Kutscher und arbeitende (und nicht etwa spielende) Kinder.

Während die Stallburschen und Kinder jedoch namenlos geblieben sind, wird mit dem stoischen Kutscher eine reale Person in Verbindung gebracht: der Leibkutscher Friedrichs des Großen, Johann Georg(e) Pfund(t).
Viel lässt sich über diesen Mann nicht in Erfahrung bringen. Er wurde 1684 in Neuruppin geboren und starb 84-jährig in Potsdam. Im Alter von 30 Jahren trat er in die Dienste des Kronprinzen ein und blieb diesem bis 1776 (!) treu. Zahlreiche Anekdoten ranken sich um Pfund und seine schwierige Beziehung zum König. Mit großer Sicherheit lässt sich jedoch sagen, dass er sich äußerst grob und ungehobelt selbst dem König gegenüber verhielt. Tatsächlich werden jedoch seine vielgelobten Fahrkünste dazu geführt haben, dass der Kutscher den König weiter fahren durfte.
Entgegen üblicher Legenden stritt sich der Kutscher nicht mit dem König um seine Pension. Am 17. März 1776 stellte Friedrich ihm ein lebenslanges Altersgeld aus. Sein ihm 1781 ebenfalls als Geschenk übereignetes Haus in Potsdam (die Adresse ist leider unbekannt) konnte er allerdings nur noch wenige Jahre nutzen.
Wie man der Schatullenrechnung Friedrichs des Großen entnehmen kann, war Pfund nicht allein für die Beförderung der Majestät zuständig. Wagenreparaturen gehörten ebenso zu seinem Aufgabenbereich wie die Haltung von Ziegen (mindestens von 1748 bis 1756).


Der Historienmaler, Schriftsteller und Kunstbeirat August Kopisch (1799 – 1853), der ab 1847 in Potsdam weilte, widmete dem Kutscher über den Dächern des Neuen Marktes sogar ein Gedicht:
Der Kutscher des Alten Fritz
Des Alten Fritz Leibkutscher soll aus Stein
zu Potsdam auf dem Stall zu sehen sein –
da fährt er so einher,
als ob er lebend wär:
aller Kutscher Muster, treu und fest und grob,
Pfund genannt, umschmeißen kannt er nicht: das war sein Lob!Mordwege fuhr er ohne Furcht, sein Mut
hielt aus in Schnee, Nacht, Sturm und Wasserflut.
Ihm war das einerlei,
er fand gar nichts dabei;
in dem Schnurrbart fest und steif blieb sein Gesicht
und man sah darauf kein schlimmes Wetter niemals nicht.Doch rührte man an seinen Kutscherstolz,
war jedes Wort von ihm ein Kloben Holz;
woher es auch geschah,
daß er es einst versah
und dem Alten Fritz etwas zu gröblich kam,
wessenhalb derselbe eine starke Prise nahmund sprach: „Ein grober Knüppel, wie Er ist,
der fährt fortan mit Eseln, Knüppeln oder Mist!“
Und so geschah´s. Ein Jahr
bereits verflossen war,
als der Pfund einst Knüppel fuhr und guten Muts
ihm begegnete der Alte Fritz, der frug: „Wie tut´s?“„I nu, wenn ich nur fahre,“ sagte Pfund,
indem er fest auf seinem Fahrzeug stund,
„so ist´s mir einerlei
und weiter nichts dabei,
ob´s mit Pferden oder ob´s mit Eseln geht,
fahr ich Knüppel oder Eure Majestät.“Da nahm der Alte Fritz Tabak gemach
und sah den groben Pfund sich an und sprach:
„Hüm, find´t Er nichts dabei
und ist Ihm einerlei,
ob es Pferd, ob Esel, Knüppel oder ich;
lad Er ab und spann Er um und fahr er wieder mich.“
Zwischen 2000 und 2001 wurden die Quadriga und alle anderen Skulpturen des Kutschpferdestalls restauriert. Zuvor waren umfangreiche Untersuchungen der ursprünglichen Farbgebung vorgenommen worden. Denn während man heute den Sandstein üblicherweise natürlich belässt, waren auch diese Gebäudeteile früher farbig gefasst.
NOHL, W.: Unsere Mark Brandenburg. Band 1 Sagen. Berlin. 1912. In: http://www.digital.ub.uni-potsdam.de/content/pageview/58487
http://www.berlinerklassik.bbaw.de/BK/personen/index_html
http://www.de.wikipedia.org/wiki/Johann_Georg_Pfund
