Potsdams schönste Mauer

In einem früheren Beitrag war bereits die Geschichte der Ringerkolonnade Thema, die inzwischen an ihren angestammten Platz zurückgekehrt ist. Sie bildete die nördliche Abgrenzung des Lustgartens. Doch auch in Richtung Westen ließ Friedrich der Große eine optische Barriere errichten – die Lustgartenmauer. Selten beachtet, ist sie doch einer der wenigen authentischen Reste aus der friderizianischen Zeit, die bis in unsere Tage überdauert haben. Ihr Geschichte soll hier erzählt werden.

Friedrich Wilhelm I. (1688 – 1740), der sogenannte Soldatenkönig, hatte seinem Sohn Friedrich einen Lustgarten hinterlassen, der diesen Namen kaum verdiente. Er war zu einem Exerzierplatz degradiert worden, auf dem Truppen ihre Übungen abhielten. Auch Friedrich wich prinzipiell nicht von der Nutzung des Platzes ab, begann jedoch im Zuge des Stadtschlossumbaus auch mit der Neugestaltung des Umfeldes. Im südlichen Bereich des Lustgartens wurden wieder gärtnerisch gestaltete Flächen angelegt und auch zahlreiche südländische Pflanzen fanden ihren Weg zurück hierher.

Der König sah es als notwendig an, den Garten optisch vom Rest der Stadt abzutrennen. Mit dem Bau der beiden Kolonnaden direkt am Stadtschloss hatte diese Abgrenzung bereits begonnen. Anfang 1745 – der Umbau des Schlosses war in vollem Gange – entwarf Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699 – 1753) eine Mauer, die sich vom Marstall des Schlosses, dem heutigen Filmmuseum, bis hin zur Orangerie des Lustgartens erstrecken sollte. Das Orangeriegebäude war bereits ein Jahr zuvor (1744) nach einem Entwurf von Friedrich Wilhelm Diterichs (1702 – 1782) westlich des Lustgartens errichtet worden. Es ersetzte die unter dem Soldatenkönig zum Pferdestall umgebaute alte Orangerie. Ihren einstigen Standort markiert bis heute ein Durchlass in der Mauer.

Eben jener Diterichs erhielt dann auch bereits im Februar 1745 den Auftrag, mit dem Bau der Mauer zu beginnen. Laut Manger erfolgten einige Vorbereitungen, allein der Mangel an Arbeitskräften, Material und vor allem Geld ließen die Arbeiten schnell erlahmen. Friedrich gab erst im Mai 1746 von seinem Kurort Pyrmont aus das Geld zum Bau der Mauer frei. Die Oberaufsicht übernahm nunmehr Jan Boumann (1706 – 1776).

Parade im Potsdamer Lustgarten von Friedrich dem Großen
Parade im Potsdamer Lustgarten von Friedrich dem Großen. Rot markiert ist die westliche Lustgartenmauer. Kupferstich von J.S. Ringck nach F. Catel. (um 1806).

Die Mauer war insgesamt rund 165 Meter lang, fünf Meter hoch und hatte an der Breiten Straße eine knapp 6 Meter breite Öffnung. Diese wiederum war von zwei Torhäusern für die Schildwachen flankiert. Wie heute an den erhaltenen Mauerstücken gut zu erkennen ist, war sie auf ganzer Länge durch paarweise angeordnete korinthische Pilaster gegliedert und mit einer Balustrade aus Sandstein versehen. Darauf befanden sich im Wechsel jeweils 28 Sandsteinfiguren und Vasen, die zudem vergoldet waren. Sie wurden von den Bildhauern Breetz (oder Brantz), Johann Böhme und Matthias Müller geschaffen, die in der Werkstatt Glumes tätig waren.

Es entstanden insgesamt 52 Felder (32 sind bis heute erhalten), die künstlerisch gestaltet wurden:

„[Die Felder] wurden durch den Mahler [Friedrich Wilhelm] Höder [(1713 – 1768)], nach der Seite des Gartens zu, auf seiner eigenen, sehr gefälligen Manier, mit Schäferstücken, felsenartigen Kaskaden etc. al fresco […] für dreyzehn Thaler gemahlt; man sieht aber gegenwärtig [1789] nicht mehr, was die Mahlerey vorgestellet hat, theils weil die Farben ganz ausgebleicht sind, theils weil die Schildwachen und andere unnütze Hände nicht allein das Gemahlte, sondern mit demselben sogar den Putz der Mauer abgestoßen haben.“

MANGER, H.L.: Baugeschichte von Potsdam. I. Band. S. 45.

Doch nicht nur die Schildwachen haben der Mauer übel mitgespielt. Der König erwies sich (nicht nur) in Bezug auf den Bau der Mauer als nicht gerade freigiebig und so wurde sie mit oft minderwertigen oder ungeeigneten Materialien ausgeführt. Boumann ließ nur acht Pilasterkapitelle im Bereich der Breiten Straße durch den Bildhauer Breetz in Sandstein ausführen. Die restlichen wurden in Gips gegossen und verwitterten wie die Fresken schnell.

1818 begann kein geringerer als Peter Joseph Lenné (1789 – 1866) mit der Umgestaltung des Gartens. Sein Ziel war es, dem Garten eine größere Weite und Tiefe zu geben. Dabei stand ihm offensichtlich die inzwischen sehr unansehnlich gewordene Mauer im Weg. Zwischen dem Marstall und der Priesterstraße (heute Henning-von-Tresckow-Straße) wurde die Mauer abgetragen und durch einen gusseisernen Zaun ersetzt, welcher von Karl Friedrich Schinkel (1781 – 1841) entworfen wurde. Das Orangeriegebäude war bereits zehn Jahre zuvor wegen Baufälligkeit abgetragen worden. Übrig blieben jene beiden Stücke der Lustgartenmauer, welche wir noch heute an der Grenze zwischen Lustgarten und Innenministerium sehen können.

Abschlussgitter am Lustgarten in Potsdam
Abschlussgitter am Lustgarten nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel. Aus: Otto Zieler. Potsdam – ein Stadtbild des 18. Jahrhunderts. Berlin 1913. Abb. 194.

Im Zuge der Umgestaltung des Potsdamer Stadtzentrums wurde auch das klassizistische Gitter Schinkels in den frühen 1960er abgebaut und eingeschmolzen. Der Lustgarten selbst war bereits 1948 zu einem großen Teil durch das bis 1999 existierende Ernst-Thälmann-Stadion überbaut worden.

Nach der Wende von 1989/90 begann man mit der Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss und der Restaurierung der verbliebenen historischen Substanz. Die Lustgartenmauer wurde in den Jahren zwischen 2000 und 2002 saniert. Ein Großteil der Sandsteinfiguren und Vasen ist heute durch Kopien ersetzt.

Mit der Neugestaltung der Platzanlage vor dem Filmmuseum kehrte auch der Zaun zurück, den Schinkel einst entworfen hatte. Seit September 2009 sind auf einem Sandsteinsockel 16 Pfostenelemente und 12 dazwischenliegende Zaunfelder – teilweise aus gegossenem Aluminium – montiert. Der früher nur einmal unterbrochene Zaun verfügt heute über insgesamt drei Durchbrüche an Gehwegen sowie im Zuge der Breiten Straße und der Henning-von-Tresckow-Straße. Die Kosten für die Errichtung der Zaunanlage lagen bei ca. 150.000 Euro.

 

Fritz und Peter - Deine Stadtführer für Potsdam

 

Quellen

MANGER, H.L.: Baugeschichte von Potsdam. Reprint der Originalausgabe von 1789/90. Leipzig. 1987.

GIERSBERG, H.-J.: Das Potsdamer Stadtschloss. Potsdam. 1998.

http://www.potsdamermitte.de

http://www.quellen-perspectivia.net/de/borchward/start

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