Teil 1. Seit heute ist das wiedererstandene Palais Barberini als Kunstmuseum für seine Besucher geöffnet. Für Story of Potsdam Grund genug, sich näher mit diesem Haus zu befassen. Im (berechtigten) Rummel um die Eröffnung des Museums sind die anderen beiden zurückgekehrten Prachtfassaden in der Humboldtstraße etwas in den Hintergrund gerückt. Das wollen wir ändern.
An dieser Stelle werden in der nächsten Zeit alle drei alt-neuen Bauten an der Alten Fahrt genauer vorgestellt. Zusammen mit dem Landtagsgebäude in der Hülle des Stadtschlosses und den originalen Prachtbauten des Alten Marktes – der Nikolaikirche, dem Alten Rathaus, dem Knobelsdorff-Haus sowie dem Obelisken – bilden sie nun wieder einen erlebbaren Raum auf dem Alten Markt in Potsdam. Mit den drei Neubauten sind jene Adaptionen italienischer Paläste nach Potsdam zurückgekehrt, die seit Friedrich dem Großen das Stadtbild entschieden mitprägten. Nicht nur ihr Wiederaufbau war und ist umstritten. Schon Friedrichs Zeitgenossen waren nicht immer voll des Lobes über diese kuriosen Fassaden.
Wie alles begann …
Bevor wir uns den Bauten selbst zuwenden, wollen wir in diesem ersten Teil zunächst einen Blick darauf werfen, was Friedrich den Großen zum Bau dieser nach außen hin so prachtvollen „Paläste“ veranlasste, die mehr versprachen, als sie letztlich halten konnten.
Der Umbau Potsdams beginnt
Im Jahre 1744 begann Friedrich II. mit der städtebaulichen Gestaltung Potsdams nach seinen Vorstellungen. Alle seit seinem Amtsantritt 1740 errichteten Bauten waren entweder Vollendungen von Projekten seines Vaters (etwa das Holländische Viertel) oder reine Zweckbauten ohne stadtbildprägende Intention.1 Lag die Hauptaufmerksamkeit 1744 noch auf dem Stadtschloss und bis 1748 auf der Hauptstraße der Stadt, der Breiten Straße, so wandte sich der König ab 1750 auch der unmittelbaren Umgebung des Schlosses zu. Es entstanden die ersten repräsentativen Eckbauten am Alten Markt, von denen bis heute das Knobelsdorff-Haus neben dem Rathaus überdauert hat.
Im darauffolgenden Jahr (1751) wurde die Seite östlich der Nikolaikirche bebaut (Kaiserstraße), der wiederum ein Jahr später ein Pendant an der Ostseite folgt. 1753 wird die Nikolaikirche mit ihrer als „Vorhemdchen“ bekannten prachtvollen Schaufassade versehen (Vorbild: Portal der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom) und auch das Alte Rathaus (Vorbild: Entwurf Palladios für den Palazzo Angarano in Vicenza) wird neu errichtet. Mit der Schaufassade der Kirche, dem Rathaus, dem Predigerhaus der Nikolaikirche (Am Alten Markt 4, Vorbild: Palazzo della Sagra Consulta sul Quirinale in Rom) und den Bürgerhäusern Am Alten Markt 12 (Vorbild: Entwurf Palladios für den Palazzo Guilio Capra in Vicenza) sowie Schwertfegerstr. 1 (Vorbild Palazzo Porto Barbarano in Vicenza) entstehen in diesen Jahren eine Vielzahl von Bauten, die allesamt italienische Vorbilder hatten oder zumindest vom Palladianismus inspiriert waren.







Die Stadt als Vitrine
Friedrich der Große inszenierte sich selbst als „roi philosophe“ und wollte der Welt und vor allem der Nachwelt als umfassend gebildeter Monarch mit einem ausgeprägten Kunstverständnis gelten. Und wie konnte die weitreichende Bildung und der hochentwickelte Kunstgeschmack Friedrichs deutlicher und sichtbarer ausgedrückt werden als durch Architektur?
Gute Kunst, so glaubte man im 18. Jahrhundert, entstünde nach festen Regeln und diese seien in der Antike festgelegt worden. Der beste Weg zur Steigerung der Kunstqualität bestand demnach in der Kopie antiker Meisterwerke der Malerei, Bildhauerei und Architektur.2 Friedrich bediente sich mit dem Kopieren von klassischen Bauten also jenes Kanons guter Kunst, der überall in Europa erkannt und reproduziert wurde. Was Friedrich jedoch zu einem avantgardistischen Bauherrn seiner Zeit in Deutschland machte, ist zum einen die Errichtung der Bauten auch außerhalb seiner Parkanlagen und zum anderen der sehr frühe Rückgriff auf den sogenannten Palladianismus.3
Ganz Potsdam wurde zu einer Vitrine seines Geschmacks und zum Sinnbild für die Leistungsfähigkeit Preußens. Zahlreiche Veduten, Gemälde mit der (mehr oder weniger) wirklichkeitsgetreuen Darstellung des Stadtbilds, entstanden bereits kurz nach der Fertigstellung des Alten Marktes. Eben jene Veduten ließ der König sodann auch in den Gästewohnungen der Neuen Kammern aufhängen, um den Besuchern die Pracht der neuen Stadtanlage zu demonstrieren.
Palladio – Friedrichs Garant für ewigen Ruhm
Andrea Palladio (1508-1580) gilt als erster „Klassizist“ der neuzeitlichen Architektur. Er verstand es, die Baukunst des Altertums nicht nur für seine Gegenwart wiederzubeleben, sondern diese zu einer überzeitlichen Gültigkeit zu erheben. Seine Konzentration auf die „reine“ Architektur hatte eine über Jahrhunderte fortdauernde Nachwirkung auf die abendländische Kunstgeschichte.4 Vor allem seine Villen und Paläste sind weltberühmt und sein Traktat zur Baukunst „I quattro libri dell‘ architettura“ (Die vier Bücher zur Architektur) schuf Normen, die in der Folgezeit für alle architektonischen Handbücher verbindlich blieben.5
Friedrich II. wurde durch den italienischen Kunstagenten und Architekturtheoretiker Francesco Algarotti (1712–1764) mit einschlägiger Architekturliteratur versorgt. Insgesamt verfügte der König über rund fünfzig Werke, die sich mit antiken und zeitgenössischen Bauwerken, Archäologie und Architektur allgemein befassten.6 Palladios „Vier Bücher“ gehörten selbstverständlich dazu. Algarotti formulierte die Programmatik friderizianischer Architektur in einem Brief von 1751 als er an den König schrieb „Potsdam wird eine Schule der Baukunst werden“7.
Der über seinen Tod hinaus anhaltende Ruhm war Friedrichs wichtigste Antriebskraft und Motiv aller seiner Handlungen8 und so war ihm viel daran gelegen, nicht nur durch die Auswahl der Vorbilder für seine Bauten zu beeindrucken (siehe allein die Aufzählung oben), sondern selbst die Entwurfsskizzen zu fertigen.9 Dass diese Fassaden den Menschen dahinter das Leben zur Tortur machen konnten, wollen wir später thematisieren. Nie wurde ein Gebäude jedoch bloß kopiert. Dies hätte bei den beengten Potsdamer Verhältnissen sicher lächerlich gewirkt. Vielmehr passten der König, vor allem jedoch seine Architekten, die zur Nachbildung auserwählten Bauwerke stets (mal mehr mal weniger gelungen) den Potsdamer (Größen-)Verhältnissen an.
Die drei Paläste an der Alten Fahrt
Die in den folgenden Beiträgen behandelten Bauten stammen nicht aus Friedrichs Feder, wurden jedoch von ihm selbst für die Adaption in Potsdam ausgewählt. Namentlich handelt es sich um den Gasthof „Zum Roten Adler“, den sogenannten Palazzo Pompei von 1754, die beiden Häuser der Bürger Dieckow (oder Dickow) und Schulz (zusammengefasst als sogenanntes Palais Barberini von 1772) und das Noacksche Haus von 1777 (gern etwas hoch gegriffen als Palazzo Chiericati bezeichnet).
Die Fortsetzung gibt es hier.
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1 MIELKE, F.: Das Bürgerhaus in Potsdam. Textteil. In: BINDING, G.: Das deutsche Bürgerhaus. Bd. XV. Tübingen. 1927. S.11.
2 HAGEMANN, A.P.: Zitat und Kopie bei Friedrich II. In: GENERALDIREKTION DER STIFTUNG PREUSSISCHE SCHLÖSSER UND GÄRTEN BERLIN-BRANDENBURG (Hrsg.): Friederisiko. Friedrich der Gross. Die Ausstellung. München. 2012. S. 176.
3 Ebd. S.177.
4 WUNDRAN, M.; PAPE, T.: Andrea Palladio 1508–1580. Architekt zwischen Renaissance und Barock. Köln. 1988. S. 6f.
5 JOBST, C.: Andrea Palladio. In: EVERS, B.; THOENES, C.: Architekturtheorie. Von der Renaissance bis zur Gegenwart. 89 Beiträge zu 117 Traktaten. Bd. 1. Köln. 2011. S. 113.
6 GIERSBERG, H.-J.: Friedrich als Bauherr. Studien zur Architektur des 18. Jahrhunderts in Berlin und Potsdam. Berlin. 1986. S.31.
7 Ebd. S.33.
8 vgl. dazu das Kapitel „Ruhm“ in: LUH, J.: Der Große. Friedrich II. von Preußen. München. 2014. S. 9–113.
9 HAGEMANN, A.P.: Zitat und Kopie bei Friedrich II. S. 177.
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